Von: Rebecca Steinbichler
Betreff: Es liegt etwas in der Luft
Liebe Redaktion,
die Stadt surrt. Ich stehe in der Dämmerung auf meinem kleinen Balkon. Das Surren ist der monotone Soundtrack eines Landes, dessen Stromversorgung beinahe komplett zusammengebrochen ist. Knapp zwei Stunden liefert der libanesische Staat nur noch am Tag. Deshalb stehen tausende privat betriebene Dieselgeneratoren an allen Ecken des Landes und verpesten die Luft.
Sobald das vertraute Geräusch einsetzt, ist der Alltag einfacher: Mein Handyakku lädt, der Ventilator weht eine lauwarme Brise hin und her, das Joghurt im Kühlschrank wird nicht schlecht.
Mein Viertel ist gut versorgt: Nur nachts und ein paar Stunden am Nachmittag ist es still, dann müssen wir mit Powerbanks und Kerzenschein auskommen. Der Betreiber unseres Generators verlangt monatlich in etwa so viel, wie ich für meine Miete bezahle. Dass sich diesen Luxus angesichts der schwerwiegendsten Wirtschaftskrise in der Geschichte Libanons die meisten nicht leisten können, liegt auf der Hand.
Die Generatoren sind dementsprechend nicht nur Ausdruck der Energiekrise. Sie symbolisieren das Zerbröckeln eines Staates – und die Schere zwischen Arm und Reich.
Ich als temporär hier Lebende frage mich, wie es für die Menschen weitergeht. Seit Monaten liegt eine Stimmung in der Luft, die zwischen letztem Aufbegehren und totaler Resignation schwankt. Einig ist man sich aber in einem: Irgendetwas wird sich ändern müssen. Bis dahin surrt es weiter.
Liebe Grüße,
Rebecca
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